Jugend Sucht Mann

JUGEND SUCHT MANN

Ich nähere mich der wirklich existenziellen Frage: „Was will ich?“ über drei elementare Fragen des Lebens: Wer bin ich? Wohin gehe ich? Und mit wem?

In der Jugend wird die Identität entwickelt, entfaltet, gestärkt, bestimmt, also „wer bin ich?“. In der Sucht liegt oft die abgebrochene Suche nach dem eigenen sinnerfüllenden Weg, also „wohin gehe ich?“. Und Mann definiert sich auch und gerade durch die Polarität zur Frau, also „und mit wem?“.

JUGEND SUCHT MANN

Unter Jugend versteht man die Lebensphase zwischen Kindheit und Erwachsensein, so Wikipedia. Gut, je nachdem wie man die Kindheit betrachtet, endet sie: Wenn der Ernst des Lebens beginnt (mütterliche Erklärung 😉 oder mit der Strafmündigkeit (rechtliche), der Pubertät (biologische), usw. Aber wie wird Erwachsensein bestimmt? Gar nicht so leicht, oder? Bei den meisten Definitionen spielt dabei „Verantwortung übernehmen“ eine tragende Rolle, aber wie genau und worüber, usw.?

Für mich bedeutet „Erwachsensein“ die Entscheidung zu treffen, wachsen zu wollen, d.h. sich der Herausforderung des Lebens zu stellen und das Leben selbst stellt mir die Fragen und ich habe das Leben zu ver-antworten. Dabei stehe ich in meiner Einmaligkeit und Einzigartigkeit vor immer neuen Aufgaben, die nur Ich im Hier und Jetzt lösen kann.

Insofern hinterfrage ich auch den herrschenden Jugendkult-Wahn, ob “forever young” nicht nur ein Verdrängen der eigenen Vergänglichkeit ist? Und ob wir damit nicht auch der hervorragenden Errungenschaft der letzten 100 Jahre, nämlich „eine Rebellion zuzulassen“, wieder einen Riegel vorschieben.

Die heutigen Jugendlichen haben es materiell sicherlich leichter als die Generationen davor, doch sich aufzulehnen wird immer schwieriger, denn bunte Haare, Tätowierungen oder Piercings reichen schon lange nicht mehr aus, um aufzufallen, um zu zeigen, dass man anders ist. Aber dies ist wichtig im Prozess, die eigene Identität zu entdecken, zu entfalten, um aus den Fußstapfen den Eltern zu steigen.

Es fehlt an Initiationsriten, wie in “kalten” Kulturen. Zwar gibt es noch rudimentäre Elemente so einer Aufnahme in den Kreis der „Erwachsenen“, wie z.B. durch die Konfirmation, den Übertritt ins kirchliche Erwachsenenalter oder auch der Name „Reifeprüfung“ für die Matura bringt dies zum Ausdruck. Doch eigentlich ist aus den Wanderjahren ein Aufenthalt im Hotel Mama geworden. Finanzielle Gründe hin oder her, die Adoleszenz wird immer öfter zu einer „Dauerpubertät“.

Die große Herausforderung der Pubertät liegt im „kontrollierten Gebrauch“ der Affekte, der Affekttoleranz, und der Weg dorthin führt über die Fähigkeit zu trauern, Verluste zu verkraften und sich die Grenzen der kindlichen Grandiosität einzugestehen. Es muss gelernt werden Hindernisse am Weg eigenständig zu bewältigen und Unlust zu ertragen. Doch wie soll die lange Weile (Langweile ;-), sinnvoll gestaltet werden, wenn z.B. das Handy immer griffbereit ist, wie kann so einer Versuchung widerstanden werden, wenn dies erst entwickelt werden muss? Und dies ist nur EIN Beispiel für die Schwierigkeiten der Internet-Generation, für die Kinder unserer Zeit erwachsen zu werden.

Kinder Kinder sein zu lassen war ein wunderbares Geschenk des letzten Jahrhunderts, doch MEIN zu (gut gemeint) behütetes Kind wirklich gänzlich aus der Kindheit zu entlassen, ist die Schwierigkeit diese jungen Jahrtausends.

JUGEND SUCHT MANN

Süchtiges Verhalten stellt ein uraltes, zutiefst menschliches Phänomen dar. Der mehrdeutige und schwer zu definierende Begriff der Sucht stammt vom germanischen Wort „suhti“ sowie vom mittelhochdeutschen „suht“ und ist in seiner Wortwurzel verwandt mit „Siechen“ und „Seuche“.

Zwar hat das Wort Sucht etymologisch nichts mit Suchen zu tun, aber die Frage, was der Süchtige in der Sucht sucht, ist äußerst relevant. Denn gesucht wird auf alle Fälle die Linderung eines Unlust-Gefühls oder sogar die Abwehr unerträglicher psychischer Zustände.

Das Ertragen von Unlust stellt eine Herausforderung der Pubertät dar und der typische Drogensüchtige ist auch an seiner Adoleszenzkrise gescheitert. Denn Sucht verhindert jene Entwicklungsschritte, die das Leben von uns fordert und diese sind meist bei Änderungen der Lebensumstände gefragt. So stellt z.B. die Pension, der Verlust der Arbeit, die größte Gefahr dar, einmal süchtig zu werden.

Jede Abhängigkeitserkrankung beruht auf einem „multikonditionalen“ Bedingungsgefüge: genetische Dispositionen, negative kindliche Prägungen, Entwicklungsprobleme, lebensgeschichtliche Umstände, nachteilige Erziehung, Schicksalsschläge, Krankheiten, soziale Belastungen, usw.

Z.B. eine psychoanalytische Erklärung: Sucht entsteht in der Mutterobjektphase, – vereinfacht erklärt das eigene Ich beginnt sich aus der Verschmelzung mit der Mutter zu lösen und es kommt zu einer Ambivalenz zwischen dem „guten“ (mich-nährenden) Mutter-Aspekt und dem „gefährlichen“ (mich-verschlingenden) Mutter-Aspekt. Insofern wird verständlich, dass der Süchtige „sein Gift“ begehrt, denn dies stellt eine Wiederholung dieser nicht verarbeiteten Ambivalenz dar.

Z.B. die „Selbstheilungshypothese“, die besagt, dass ein Süchtiger versucht sich durch sein Verhalten oder seinen Rausch von einer zugrunde liegenden Störung zu befreien.

Sucht, in welcher Form auch immer, ist meist auch ein Linderungsmittel gegen die heutzutage lebensfeindlichen Anforderungen traditioneller Männlichkeit, auf der anderen Seite leben Frauen ihre Sucht fast immer heimlich und versuchen lange unauffällig zu bleiben, um ihrer internalisierten Rollenerwartung gerecht zu werden.

Fast jeder von uns hat süchtige Anteile, doch nur selten sind wir uns dessen bewusst.
Zwar zielt jedes menschliche Interesse darauf ab, das Leben zu meistern, doch es kann ebenso gut in ein Suchtverhalten entgleiten. Daher kann man alle Süchtigen als „Künstler der Ersatzbefriedigung“ verstehen. Doch wahre Lebenskunst aber bedeutet das Annehmen des Hier und Jetzt, das Gewahrsein der Veränderung und Vergänglichkeit. Das Glück erleben im Moment – das ist wahre Lebenskunst.

JUGEND SUCHT MANN

„Wann ist ein Mann ein Mann?“, sang Herbert Grönemeyer1 1984 und diese Frage ist aktueller denn je. Denn seit Jahren lässt sich eine zunehmende Rollenkonfusion bei Männern und Frauen gleichermaßen beobachten, die für den Einzelnen häufig eine Überforderung darstellt. Das Aufbrechen tradierter Rollenmuster, so sehr dies zum damaligen Zeitpunkt sinnvoll und notwendig war, ist heute einer Orientierungslosigkeit gewichen. Denn das Pendel der Gleichberechtigung brachte die männliche Machtstruktur (teilweise) zum Einsturz und die (meisten) Frauen entledigten sich längst der verstaubten Geschlechterklischees, auch wenn diese noch in einigen Hinterköpfen herumspuken. Doch wir Männer liegen noch immer in den Ruinen des Patriarchats verstört am Boden und wissen nicht, was mit uns passiert ist und um wieder zum Pop zu greifen: “Miley Cyrus”2 schaukelt nackt auf der Abrissbirne“, denn so schaut nämlich das neues weibliche Selbstbild aus :“wir sind schön, stark, selbst und mutig“.

Beim Mann hat sich jedoch noch kein neues Rollenverständnis wirklich durchgesetzt, denn es fehlt an Vorbildern und das geht mindestens bis zum ersten Weltkrieg zurück und darauf folgte viel zu schnell der zweite Weltkrieg, dann gab`s „Trümmerfrauen“ und die sexuelle Revolution der 68er und und und.

Frühkindliche Sozialisation findet in einer frauendominierten Alltagswelt statt. In allen Bereichen wie Familienalltag, Kindergarten und Grundschule fehlen Männer oder sind deutlich unterrepräsentiert. Jungs finden in dieser Welt kaum Möglichkeiten einer männlichen Geschlechtsidentifikation. Mit ca. 10 Monaten beginnt sich das Kind aus der „Symbiose“ mit der Mutter zu lösen und Jungs entdecken bis zu ihrem 3. Lebensjahr ihr „Anders-sein“ als die Mutter.

Männlichkeit definiert sich für sie hauptsächlich darin „Nicht-Frau“ zu sein, gleichzeitig ist der kleine Junge im Verhältnis zu seiner Mutter schwach, unterlegen, ohnmächtig… Die Angst kein richtiger Junge/Mann zu sein ist oft lebenslange Begleiterin und als unmännlich verurteilt zu werden treibt Jungs/Männer zu den aberwitzigsten Handlungen (Alkoholexzesse, Autoraserei, riskante Sportarten…) So machen sich Mädchen „Jungs-Territorien“ zu eigen und Jungs verteidigen „ihr Territorium“ nur, dringen aber nicht in das der Mädels ein, denn das wäre ja „unmännlich“…

Ein neues Männer- und besonders Vaterbild ist gefragt, denn auch hier hatten wir keine Vorbilder und haben uns an der Mutterrolle orientiert.

Dabei wäre für den kleinen Jungen in den ersten Jahren (nicht erst wenn der Bub kicken kann) eine männlich emotionale Bezugsperson sehr wichtig, um ihm die Möglichkeit zu bieten, sich damit identifizieren zu können und selbst herauszufinden, was für ihn Mannsein bedeutet.

1 Herbert Grönemeyer, deutscher Popmusiker, in „Männer“ auf der LP 4630 Bochum

2 Miley Cyrus, amerikanische Popmusikerin im Video „Wrecking Ball“, 2013 erschienen